Ich wandere hinauf bis zum Waldrand. Zum Glück wartet hier eine schattige Bank auf eine verdiente Verschnaufpause. Während sich mein Puls wieder etwas beruhigt, genieße ich den herrlichen Blick auf Bad Fredeburg und die hügelige Landschaft. Von allen Sauerländer-Orten würde ich Bad Fredeburg sofort erkennen, denn die Kirche mit seinem Kirchturm ist einfach zu markant. Eigentlich müsste ich sagen: Die Kirche mit dem nicht vorhandenen Kirchturm. Als 1931 entschieden wurde, dass die erst 100 Jahre alte Kirche zu klein war und eine neue Kirche gebaut werden soll, wurde die neue Kirche als Zwiebelturm geplant. Doch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und leerer Kassen konnte dieser Plan nicht verwirklicht werden und der Turm wurde aus Kostengründen nicht vollendet. Heute ist die Kirche St. Georg ein Wahrzeichen von Bad Fredeburg.
Ich genieße noch eine Weile den Ausblick und die Sonnenstrahlen, dann geht es weiter den Kreuzweg bergauf. Ich tauche ein in ein Meer von Buchenblättern. Das Maigrün ist zart und frisch, die Sonnenstrahlen tanzen durch das Blätterdach und ich weiß nicht, wo ich meinen Fotoapparat zuerst hinhalten soll. Eine letzte kleine Biegung, die weißen Mauern blitzen schon durch das Laub und dann eröffnet sich eine Lichtung mit der kleinen weißen Kapelle: Die Buchhagenkapelle. Mit einer Suppenkelle schöpfe ich zuerst kaltes, glasklares Wasser aus der gefassten Quelle, die unterhalb der Kapelle entspringt. Man sagt der Trinkquelle heilende Wirkungen vor allem bei Augenleiden nach. Für mich bedeutet sie eine herrliche Erfrischung nach dem Anstieg. Danach nehme ich Platz auf der Bank neben der Kapelle. Die Buchen über mir biegen sich leicht im Wind, die Blätter rauschen und die Luft riecht nach Frühling. Ansonsten ist es still, ein wunderbarer Ort um zur Ruhe zu kommen.
Auf schmalen Pfaden schlängelt sich der Sauerland-Höhenflug durch Wiesen den Buchhagen bei Bad Fredeburg hinauf. Trotz perfekten 20 °C Wandertemperaturen komme ich schon bei den ersten 20 Höhenmetern ins Schwitzen. Wie immer einfach zu viele Schichten angezogen. Links hinter dem Zaun weidet friedlich eine Pferdegruppe, die rechte Wiese erstrahlt im üppigen Grün und gelben Löwenzahnmeer. Man möchte meinen, dass der Löwenzahn mit dem blauen Himmel um die Wette leuchtet. Was für eine Idylle!
Zu solchen Orten gehört natürlich auch immer eine besondere Geschichte, wozu auch die Sage über die Entstehung der Buchhagenkapelle gehört: Vor vielen Jahren zog ein Wanderer durch den weiten Buchenwald am Buchhagen. Plötzlich senkte sich ein schwacher Sonnenstrahl durch das Buchendach und erleuchtete einen Stamm. Der Wanderer blieb wie gebannt stehen und erblickte in einer kleinen Höhle eines uralten Stammes das Bild der heiligen Mutter Gottes. Hastig eilte er zurück nach Fredeburg und erzählte allen, was er gesehen hat. Schnell sammelten sich die Bewohner und zogen in einer langen Prozession betend und singend den Buchhagen hinauf, um das Bild in die Stadtkapelle zu holen. Hier wurde es ehrfurchtsvoll auf einen geschmückten Altar gestellt. Als sie aber am nächsten Morgen zur Kapelle kamen, war das Bild verschwunden. Eifrig wurde das Bild gesucht, am alten Platze im Buchhagen wurde es schließlich gefunden und in einer zweiten Prozession wurde es wieder feierlich zurück in die Stadtkapelle gebracht. Doch auch am nächsten Tag war das Bild verschwunden und zurück zum Buchhagen gewandert. Dreimal brachte man es hinab und dreimal ist es am nächsten Tag wieder verschwunden. Daraufhin entschlossen sich die Bewohner das Bild am Buchhagen zu lassen und haben neben der Buche ein kleines Kapellchen zu Ehren der Gottesmutter gebaut.
Ich finde: Eine wunderbare Geschichte passend für einen wunderbaren Ort.
Autor Kerstin Berens